Küchenraum im Erdgeschoss des Reichstags
Quelle: Sluik/Kurpershoeck: Radau.
Tatortfoto´s Marinus van der Lubbe (1933), ´S-Gravenhage 1994
Nach Aussage seines Bruders wurde Reineking später
von den Nazis verfolgt, weil er »gewisse Unterlagen«
über den Reichstagsbrandprozeß für sich behalten
habe, die eigentlich vernichtet werden sollten. 17 Wegen Vergehens
gegen das »Heimtückegesetz« wurde er schließlich
zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt und ins KZ Dachau eingeliefert,
wo er am 2. Juni 1936 - kurz vor Ablauf seiner Haft - zu Tode
kam. Amtliche Todesursache: Selbstmord.
Anfang der sechziger Jahre gab nun der von Gisevius
beschuldigte Ingenieur Hans-Georg Gewehr vor dem Oberlandgericht
Düsseldorf zu, seinerzeit tatsächlich in SA-Kreisen
ein selbstentzündliches Brandmittel (Phosphor in Schwefelkohlenstoff)
vorgeführt zu haben, das später verschiedentlich im
Wahlkampf bei Anschlägen eingesetzt worden sei und das er
sogar selbst entwikelt haben soll. 19
Interessanterweise ist dieses Brandmittel identisch
mit jener Substanz, deren Verbrennungsprodukte der beim Reichsgericht
vereidigte chemische Sachverständige Dr. Wilhelm Schatz an
allen Brandstellen des Plenarsaals feststellen konnte. Dies geht
aus seinem Ergänzungsgutachten vom 8. November 1933 hervor.
20
Anläßlich des sogenannten »Röhm-Putsch«
wurde Gewehr 1934 wegen der Ausführung »besonderer Aufträge«
für Karl Ernst verhaftet. Obwohl »keinesfalls zur Entlassung
geeignet«, kam er wieder frei. 21 Gewehr, nach eigenen
Angaben in SA-Kreisen als »technischer Leiter« der Reichstagsbrandstiftung
gehandelt, wurde während seiner Haft im persönlichen
Auftrag Heinrich Himmlers von einem SS-Obersturmbannführer
zum Reichstagsbrand vernommen. Nach dem Krieg bestritt Gewehr
vor Gericht allerdings, irgendetwas mit dem Reichstagsbrand zu
tun gehabt zu haben. Ein Polizeikommissar dagegen, der sich 1960
bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf als Zeuge meldete,
erinnerte sich, daß Gewehr während eines Polizeioffizierlehrgangs
angedeutet hatte, mehr über den Reichstagsbrand zu wissen,
als in den Zeitungen stand. 22
Der Drogist Walter Weber, Führer des »SS-Kommandos
Göring«, sagte jedenfalls aus, bei einem Erkundungsgang
unmittelbar nach Ausbruch des Brandes habe er die Zugangstüren
zum unterirdischen Gang verschlossen vorgefunden. 23 Die Originalakten
beweisen allerdings das Gegenteil: Danach war nicht nur die Tür
vom Gang zum Reichstagspräsidentenpalais in der Brandnacht
bis 1 Uhr nachts offen 24, sondern zur Tatzeit steckte auch
in einer Verbindungstür vom Reichstagsgebäude zum Gang
unbeobachtet ein Schlüssel. 25 Die Brandstifter hatten
also freie Bahn!
Daß der fast blinde Holländer den Brand
schon aus technischen Gründen gar nicht allein - geschweige
denn in knapp 15 Minuten mit ein paar Kohlenanzündern - verursacht
haben konnte, das war bereits 1933 dem Reichsgericht klar und
wurde 1970 in einem Gutachten des Thermodynamischen Instituts
der TU Berlin nochmals wissenschaftlich bestätigt. 28 Dr.
Schatz kam in seinem bereits genannten Ergänzungsgutachten
sogar zu dem Ergebnis, daß van der Lubbe nicht nur mit dem
eigentlichen Großbrand im Plenarsaal nichts zu tun hatte,
sondern wahrscheinlich auch »an der Brandlegung weder im
Restaurationsraum noch überhaupt wenig oder so gut wie gar
nicht beteiligt gewesen« 29 sei. Schließlich wurde
ja van der Lubbe auch nicht auf frischer Tat ertappt, wie die
Nazis behaupteten, sondern nur am Tatort aufgegriffen: eine Erklärung
dafür, warum man keine Fingerabdrücke von ihm fand.